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Unterabschnitte

7 Einführung normierter Größen


7.1 Die Normierung der Probenlänge und der Kraft

In Abschnitt 6.4.3 dargestellten Messungen wurden an verschiedenen Proben durchgeführt. Die Proben haben verschiedene Abmessungen, worauf auch schon in Abschnitt 5.2 hingewiesen wurde. Ein direkter Vergleich der in Abbildungen 20 und 21 dargestellten Messwerte für verschiedene Proben macht also keinen Sinn.

In Abbildung 28 sind nun im Gegensatz zu Abbildung 21 relative Größen mit Hilfe der Normierungskonstanten $l_0$ und $F_0$ eingeführt. Dabei sind $l_0$ die Ausgangslänge der Probe und $F_0$ die sich einstellende Kraft bei Längung des Gewebes auf zweifache Ausgangslänge. Tabelle 2 gibt Aufschluss über die in den Abbildungen 28 und 29 verwendeten Normierungskonstanten.

Abbildung: Normierte Ruhespannungen $F^0_A(l)$ für verschiedene Proben, Normierungskonstanten $l_0$ bzw. $F_0$ siehe Tabelle 2
Image flaf0ALL
Abbildung: Normierte, isometrische Kraft-Längenkurven $\Delta F^M_A(l)$ für verschiedene Proben, Normierungskonstanten $l_0$ bzw. $\Delta F_M$ siehe Tabelle 2
Image flanorm1

7.1.1 Ergebnisse

In Abbildung 28 ist deutlich zu erkennen, da§ das Kraft-Längenänderungs-Verhalten überproportional ist. Dieses Verhalten wurde schon in Abschnitt 2.4.2 als typisch für sowohl glatte als auch gestreifte Muskulatur vorgestellt. Man kann also Abbildung 28 mit den Ruhedehnungskurven aus Abbildung 5 vergleichen. Die hier untersuchten Gewebeproben haben also das für gestreifte und glatte Muskulatur typische Ruhedehnungsverhalten.

Die Normierung in Abbildung 28 liefert brauchbare Ergebnisse, da die normierten Ruhedehnungskurven für die verschiedenen Proben recht ähnlich sind. Diese Normierung wird weiter verwendet, um überhaupt Untersuchungen der Messwerte von verschiedenen Proben durchführen zu können.

Die maximalen Kräfte nach elektrischer Stimulation aus Abbildung 29 zeigen leider auch nach Normierung kein einheitliches Verhalten. Die ähnlichkeit mit dem typischen Verhalten aus Abbildung 3 ist nur schwach zu erkennen.

Für das nicht einheitliche Verhalten der Proben kann es mehrere Gründe geben: 1. Die elektrische Stimulation kann während einer Messreihe trotz aller Vorsichtsma§nahmen variieren, z.B. durch schleichendes Verdrecken der Stimulations-Elektroden im Laufe der Messung. 2. Die Gewebeproben werden an verschiedenen Stellen eines oder auch verschiedener Schwellkörper entnommen. 3. Die Eigenschaften einer Probe ändern sich während einer Messung, z.B. langsames Absterben der Probe.

Tabelle 2: Normierungskonstanten $l_0$, $F_0$ und $\Delta F_M$
Probe Farbe $l_0 \,\,[mm]$ $F_0 \,\,[mN]$ $\Delta F_M \,\,[mN]$
3-C gelb 4.1 11.0 6.3
6-C blau 3.0 5.0 8.5
7-C schwarz 4.8 2.6 2.35
8-F rot 4.1 2.25 1.83
9-F grün 5.6 3.0 8.0


7.2 Normierung der Zeit durch Bestimmung von Zeitkonstanten

In diesem Abschnitt soll die zeitliche Relaxation des Muskels nach sprunghafter Längung untersucht werden. Es zeigt sich, daß zwei Zeitkonstanten zum Beschreiben des Zeitverlaufes notwendig sind. Die Parameter werden mit dem Levenberg-Marquardt Verfahren geschätzt [15], [16]. Die für das Iterationsverfahren notwendigen Startparameter werden zunächst durch zweifache lineare Regression ermittelt.


7.2.1 Bestimmung der Zeitkonstanten durch lineare Regression

Abbildung 30: Sprunghafte Längung um $0.1\,mm$ mit anschließender Relaxation (Probe 13-G). Normierungskonstante für die Kraft $F_0$: Kraft bei Längung der Probe auf zweifache Ausgangslänge (hier: $F_0=4.0\,mN$)
Image nlfsta1
Abbildung 31: Oben: Logarithmische Darstellung der Daten aus Abbildung 30 mit gefitteter Exponentialfunktion $ {F_P^\star (t)}/{F_0}=e^{-0.038 t-1.33}$ für $t>20 \,s$. Unten: Logarithmische Darstellung der Differenz zwischen gefitteter Exponentialfunktion und gemessenen Daten mit gefitteter Exponentialfunktion ${F_P^{\star \star }(t)}/{F_0}=e^{-0.43 t-1.01}$ für $t<20 \,s$. Normierungskonstante für die Kraft $F_0$: Kraft bei Längung der Probe auf zweifache Ausgangslänge (hier: $F_0=4.0\,mN$)
Image nlfsta23

Tabelle: Ermittelte Schätzwerte der Parameter für Abbildung 30 (Probe 13-G)
Parameter Schätzwert
$g_0$ $2.7\,mN $
$a_1$ $e^{-1.01}=0.36$
$\beta_1$ $-0.43\,s^{-1}$
$a_2$ $e^{-1.33}=0.26$
$\beta_2$ $-0.038\,s^{-1}$

Abbildung 30 zeigt beispielhaft den gemessenen zeitlichen Verlauf ${F_P(t)}/{F_0}$ der normierten Relaxation des Muskels nach sprunghafter Längung um $0.1\,mm$ für Probe 13-G ($F_0$ ist wieder die Kraft bei Längung auf zweifache Ausgangslänge). Die Gleichgewichtsspannung des Muskels ${F_P(t
\to
\infty)}/{F_0}={F^s_P(l)}/{F_0}={g_0}/{F_0}$ ergibt sich durch Extrapolation zu $g_0=2.7\,mN$. $F_0$ beträgt für diese Probe $4.0\,mN$. Für die zwei weiteren Proben ergibt sich $F_0$ zu $3.1\,mN$ (14-G) und $1.7\,mN$ (15-G). Zieht man diese Gleichgewichtsspannung von den gemessenen Werten ab und trägt man das Kräfteverhältnis logarithmisch über der Zeit auf, so kommt man zu Abbildung 31 oben.

Es ist deutlich zu erkennen, daß die gemessenen Werte sich nicht zu einer Gerade verbinden lassen. Daher sind zum Beschreiben des Zeitverlaufs mindestens zwei Zeitkonstanten notwendig. Für $t>20 s$ liegt jedoch ein einfach exponentieller Verlauf vor, dessen Zeitkonstante durch eine lineare Regression der gemessenen Werte in halblogarithmischer Darstellung ermittelt werden kann. Eine Regression ergibt $ {F_P^\star (t)}/{F_0}=e^{-0.038 t-1.33}$.

Bildet man nun die Differenz aus gemessenen Daten und aus der durch Regression ermittelten Exponentialfunktion und trägt man diese in halblogarithmischer Darstellung auf, so gelangt man zu Abbildung 31 unten. Die Differenzen sind nur für $t<20 s$ signifikant von Null verschieden. Die gewonnen Werte lassen sich recht gut zu einer Geraden verbinden. Eine lineare Regression liefert folgende Werte ${F_P^{\star \star }(t)}/{F_0}=e^{-0.43 t-1.01}$.

Insgesamt lässt sich das zeitliche Verhalten durch folgenden Ausdruck beschreiben:

\begin{displaymath}
\frac{F_P(t)}{F_0}=\frac{g_0+F_P^\star(t)+F_P^{\star\star}(t)}{F_0}=\frac{g_0}{F_0}+a_1 e^{\beta_1 t}+a_2 e^{\beta_2 t} ,
\end{displaymath} (3)

wobei die einzelnen Parameter in Tabelle 3 angegeben sind.

Zusammenfassend haben wir die Anzahl der am Zeitverlauf beteiligten Zeitkonstanten sowie brauchbare Schätzungen ihrer Werte erhalten, die wir als Startwerte für eine iterative nichtlineare Regression verwenden können.


7.2.2 Die nichtlineare Regression

Abbildung 32: Oben: Nichtlineare Regression (schwarze Linie) der gemessenen Daten (schwarze Punkte) aus Abbildung 30. Unten: Absoluter Fehler der Regression.
Image nlffit1
Abbildung 33: Ermittelte Schätzwerte für Zeitkonstanten mit asymptotischen Konfidenzintervallen sowie eine lineare Regression. Der in Abbildung 32 gewählte Impuls ist gekennzeichnet.
Image nlffit2
Abbildung 34: Ermittelte Schätzwerte für Parameter $a_1$ und $a_2$ mit asymptotischen Konfidenzintervallen sowie eine lineare Regression. Der in Abbildung 32 gewählte Impuls ist gekennzeichnet.
Image nlffit3
Abbildung 35: Ermittelte Schätzwerte für Parameter $a$ und $\beta $ mit asymptotischen Konfidenzintervallen sowie Mittelwerte mit Standardabweichungen (Ellipsen)
Image nlffit4

Tabelle: Ermittelte Schätzwerte nach Gleichung 3 für Abbildung 32.
Parameter Schätzwert Konfidenzintervall
$g_0$ $2.76\,mN$ $[2.74,2.77]$
$a_1$ $0.249$ $[0.241,0.257]$
$\beta_1$ $-0.419\,s^{-1}$ $[-0.444,-0.393]$
$a_2$ $0.254$ $[0.249,0.258]$
$\beta_2$ $-0.0392\,s^{-1}$ $[-0.0415,-0.0369]$

Abbildung 32 oben zeigt die gemessenen Daten (schwarze Punkte) aus Abbildung 30 mit einer nichtlinearen Regression nach Gleichung 3 (schwarze Linie). Im unteren Teil der Abbildung ist der absolute Fehler der Regression angegeben. Die Regression wurde mit dem Levenberg-Marquardt Verfahren durchgeführt [15], [16]. In Tabelle 4 sind nicht nur die geschätzten Parameter angegeben, sondern auch die asymptotischen Konfidenzintervalle.

Diese Parameterschätzung wurde an drei verschiedenen Proben (13-G, 14-G, 15-G) mit jeweils etwa 100 Signalen durchgeführt. Abbildungen 33 und 34 zeigen die ermittelten Schätzwerte.

Die ermittelten Parameterschätzwerte für $g_0$ hängen stark von der Länge des Muskels ab und entsprechen der in Abschnitt 6.1 eingeführten Größe $ F^s_P(l) $. Diese ist in der Abbildung 17 dargestellt. Die Regressionsgraden lauten

Durch diese Zusammenhänge können zwei Parameter eliminiert werden. Gleichung 3 geht damit in folgende Beziehung über:
\begin{displaymath}
F_P(t)=g_0+a e^{\beta t}+ 1.12 a e^{0.0684 \beta t} .
\end{displaymath} (4)

Nun sind nur noch die Parameter $g_0$, $a$ und $\beta $ zu bestimmen, was auch numerisch wesentlich einfacher ist. Die ermittelten Parameter sind in Abbildung 35 dargestellt. Die sich daraus ergebenden Mittelwerte enthält die Tabelle 5.

Tabelle 5: Mittelwerte $\mu $ und Standardabweichungen $\sigma $ der ermittelten Schätzwerte für Gleichung 4 aus Abbildung 35
Parameter $\mu $ $\sigma $ Bemerkung
$a$ $-0.0916\,mN$ $0.0374$ Abb. 35, Verkürzung
$\beta $ $-1.28\,s^{-1}$ $0.883$ Abb. 35, Verkürzung
$a$ $0.238\,mN$ $0.110$ Abb. 35, Längung
$\beta $ $-0.574\,s^{-1}$ $0.566$ Abb. 35, Längung

7.2.3 Ergebnisse

Die gemessenen Ausgleichsprozesse nach sprunghafter Längung lassen sich recht gut mit Gleichung 4 und den in Tabelle 5 ermittelten Parametern beschreiben. Die ermittelte Zeitkonstante $\beta $ ist für sprunghafte Längung und Verkürzung etwa gleich.

Hinter der Zeitkonstanten $\beta $ verbergen sich die beiden Zeitkonstanten $\beta_1$ und $\beta_2$. Das Verhältnis dieser beiden Zeitkonstanten beträgt etwa 1:15.


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Thorsten Foerstemann (thorsten@foerstemann.name)