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Unterabschnitte

8 Bestimmung der Impulsantworten

Die Versuche lassen erkennen, dass proportionale und differenzielle Systemanteile am übertragungsverhalten der glatten corpus cavernosum-Muskulatur beteiligt sind, und diese Elemente mindestens linear sind — wenn nicht sogar nichtlinear. Es wird sich zeigen, ob die hier eingeschlagene lineare Annahme gerechtfertigt ist.

8.1 Zusammenhang von Frequenzbereich und Zeitbereich

Für lineare Systeme lässt sich das Ausgangssignal $y(t)$ eines Systems mit Hilfe des Faltungsintegrals
\begin{displaymath}
y(t)=\int_{0}^{\infty} x(t-\tau) g(\tau) d\tau
\end{displaymath} (5)

darstellen [11]. Dabei ist $ x(t) $ das Eingangssignal und $g(t) $ die Gewichtsfunktion oder Impulsantwort des Systems im Zeitbereich. Die übertragungsfunktion $ G(i\omega ) $ ist die Gewichtsfunktion im Frequenzbereich. $ X(i\omega ) $ und $ Y(i \omega ) $ bezeichnen die Eingangs- bzw. Ausgangssignale im Frequenzbereich (siehe Abbildung 36). Der zu Gleichung 5 analoge Zusammenhang im Frequenzbereich lautet [11]:
\begin{displaymath}
Y(i\omega)=G(i\omega) X(i\omega) .
\end{displaymath} (6)

Abbildung 36: Blockschaltbild eines linearen Prozesses und Charakterisierung des dynamischen Verhaltens durch Gewichtsfunktion $g(t) $ und übertragungsfunktion $ G(i\omega ) $.
Image ueasys

8.2 Bestimmung im aktiven Fall durch Fouriertransformation

Hier wird nun gemäß Gleichung 6 die übertragungsfunktion aus den Fouriertransformierten Eingangs- und Ausgangssignalen bestimmt. Durch Rücktransformation der übertragungsfunktion in den Zeitbereich gewinnt man dann die Impulsantwort.


8.2.1 Messdaten

Abbildung 37: Die gemessenen Eingangs- und Ausgangssignale (Probe 6-C)
Image ueasing
Abbildung 37 zeigt die gemessenen, normierten Eingangssignale $ x(t) $ (gestrichelte Linie) und Ausgangssignale $y(t)$ (durchgezogene Linie) für Probe 6-C. Die Normierung wurde für beide Signale so gewählt, dass der größte gemessene Wert mit eins zusammenfällt. Da die zeitkontinuierlichen Messgrößen mit einer Frequenz von 20 Hz diskret abgetastet werden, schreiben wir die gemessenen Daten folgendermaßen:
\begin{displaymath}
x(t) \to x(k) \quad \hbox{bzw.} \quad y(t) \to y(k) \quad
\hbox{mit} \quad t=k T ,\, k \in I \! \! N .
\end{displaymath} (7)

Dabei ist hier $ T=0.05 \,s $.


8.2.2 Bestimmung der übertragungsfunktion

Abbildung 38: Spektren des Eingangssignals $ X(i\omega ) $ (rot) und Ausgangssignals $ Y(i \omega ) $ (grün), sowie die übertragungsfunktion $ G(i\omega ) $ (schwarz)
Image ueaspek1
Für die übertragungsfunktion eines linearen Prozesses gilt nach Gleichung 6:
\begin{displaymath}
G(i\omega)={{Y(i\omega)}\over{X(i\omega)}} \,.
\end{displaymath} (8)

Für die Spektren der Eingangs- und Ausgangssignale gilt (z.B. [17], [11]):
$\displaystyle X(i\omega)=$ $\textstyle \displaystyle \int_{-\infty}^{\infty} x(t) e^{i\omega
t} dt$ $\displaystyle \quad \mbox{und}$ (9)
$\displaystyle Y(i\omega)=$ $\textstyle \displaystyle \int_{-\infty}^{\infty} y(t) e^{i\omega
t} dt$ $\displaystyle \,.$ (10)

Nun liegen die Signale aber nicht in kontinuierlicher sondern in diskreter Form vor (siehe Gleichung 7). An die Stelle der Fouriertransformation in den Gleichungen 9 und 10 tritt deshalb die diskrete Fouriertransformation (z. B. [17], [11]):
$\displaystyle X(r)=$ $\textstyle \displaystyle \frac{1}{\sqrt{N}} \sum_{k=1}^{N} x(k) e^{2
\pi i (k-1) (r-1) / N}$ $\displaystyle \quad \mbox{und}$ (11)
$\displaystyle Y(r)=$ $\textstyle \displaystyle {1\over{\sqrt{N}}} \sum_{k=1}^{N} y(k) e^{2
\pi i (k-1) (r-1) / N}$ $\displaystyle \,.$ (12)

Hierbei ist insbesondere zu beachten, daß die gemessenen Signale nicht nur diskret sondern auch nur im endlichen Umfang von N Messwerten vorliegen. Dies kann bei der Rücktransformation an den Signalrändern zu Verzerrungen führen. Dieser Effekt wird ''Leck-Effekt'' genannt (engl. leakage) [11].

Das kontinuierliche Spektrum $ F(i\omega) $ eines diskreten Signals $ f(k) $ ist periodisch. Die endlichen und diskreten Spektren $ X(r) $ und $ Y(r) $ aus Gleichungen 11 und 12 stellen nun genau eine Periode des periodischen Spektrums dar. Die Zusammenhänge lauten [11]:

\begin{displaymath}
X(r) \to X(i\omega) \quad \hbox{bzw.} \quad Y(r) \to Y(i\ome...
...} \quad \omega={{2 \pi r}\over{T}} ,
r \in \{ 0,\dots ,N \} .
\end{displaymath} (13)

Da die Signale $ x(k) $ und $ y(k) $ reell sind, sind die diskreten Fouriertransformierten symmetrisch. Für $ r>N/2 $ birgt das diskrete Spektrum $ X(r) $ bzw. $ Y(r) $ keine neuen Informationen. Nach dem Shannon'schen Abtasttheorem sind Spektren sowieso nur bis zur halben Abtastfrequenz sinnvoll [11].

In Abbildung 38 sind die Spektren des diskreten Eingangssignals $ x(k) $ (rot), des diskreten Ausgangssignals $ y(k) $ (grün) und die mit Gleichung 7 berechnete übertragungsfunktion (schwarz) dargestellt. Auf der Abszisse ist der 10er Logarithmus der Frequenz aufgetragen; auf der Ordinate sind die Beträge der komplexen Fouriertransformierten als logarithmierte Verhältnisse zum Maximalbetrag in Dezibel aufgetragen. Um die Grafen übersichtlich zu halten, wurden die Spektren geglättet. Die Berechnungen wurden mit dem Programm Mathematica 3.0 durchgeführt.

8.2.3 Bestimmung der Impulsantwort

Die Rücktransformation der übertragungsfunktion $ G(i\omega ) $ in den Zeitbereich liefert die Impulsantwort oder Gewichtsfunktion $g(t) $ des Systems. Dieses erledigt die diskrete inverse Fouriertransformation, die folgendermaßen lautet (z.B. [17], [11]):
$\displaystyle g(k)={1\over{\sqrt{N}}} \sum_{r=1}^{N} G(r) e^{-2 \pi i (r-1)
(k-1) / N} \,.$     (14)

Dabei sind die $ G(r) $ die Werte der in Abbildung 38 dargestellten geglätteten übertragungsfunktion. In Abbildung 39 ist die nochmals geglättete Impulsantwort $g(t) $ dargestellt. Da $ G(r) $ gerade Symmetrie besitzt, wird $g(t) $ rein reell bei der Rücktransformation [11].
Abbildung 39: Die Impulsantwort $g(t) $ berechnet durch Fouriertransformation
Image ueaimp1


8.3 Bestimmung im aktiven Fall durch das Faltungsintegral

Hier wird die Impulsantwort des aktiven Verhaltens direkt aus der Faltungssumme (Gleichung 5) berechnet.

8.3.1 Messdaten

Es werden die gleichen Daten wie im vorherigen Abschnitt verwendet (siehe Abbildung 37 und Text Abschnitt 8.2.1) .


8.3.2 Berechnung der Impulsantwort

Abbildung 40: Die Impulsantwort $g(t) $ berechnet durch die Faltungssumme
Image ueaimp2
Abbildung 41: Das Spektrum der Impulsantwort
Image ueaspek2
Da die Eingangs- und Ausgangssignale auch hier gemäß Gleichung 7 diskret abgetastet wurden, geht das Faltungsintegral (Gleichung 5) in die Faltungssumme
\begin{displaymath}
y(k)= T \sum_{j=1}^{k} x(j) g(k-j)
\end{displaymath} (15)

über [11]. Dabei ist $T$ die Zeit zwischen zwei Abtastungen. Wenn $N$ Werte aufgezeichnet wurden, können wir Gleichung 15 in folgende Matrixform bringen:
\begin{displaymath}
Y(N)=T\, M(N)\, G(N) .
\end{displaymath} (16)

Dabei sind $Y(N)=(y(1),y(2),\dots,y(N-1),y(N))$, $G(N)=(g(1),g(2),\dots,g(N-1),g(N))$ und

\begin{displaymath}M(N)=\left[\begin{array}{ccccc}x(1) & 0 & 0 &\dots
&0\cr
x(2...
...x(N-1) & x(N-2) & \dots & x(1) \cr \end{array} \right] \quad . \end{displaymath}

Damit lässt sich die gesuchte Impulsantwort angeben:

\begin{displaymath}G(N)=T^{-1}\, M^{-1}(N)\, Y(N) \,.\end{displaymath}

In Abbildung 40 ist die so bestimmte Impulsantwort dargestellt. Abbildung 41 zeigt das zugehörige Spektrum. Die Berechnungen wurden mit dem Programm Mathematica 3.0 durchgeführt.


8.4 Bestimmung im passiven Fall durch das Faltungsintegral

Hier wird die Impulsantwort des passiven Verhaltens direkt aus der Faltungssumme (Gleichung 5) berechnet.

8.4.1 Messdaten

Abbildung 42 zeigt die gemessenen, normierten Eingangssignale $ x(t) $ (gestrichelte Linie) und Ausgangssignale $y(t)$ (durchgezogene Linie) für Probe 7-C. Die Normierung wurde für beide Signale so gewählt, dass der größte gemessene Wert mit eins zusammenfällt. Das Eingangssignal ist in diesem Fall eine sprunghafte Längung der Probe um $0.1\,mm$. Da die zeitkontinuierlichen Messgrößen mit einer Frequenz von 2 Hz diskret abgetastet werden, schreiben wir die gemessenen Daten als:
\begin{displaymath}
x(t) \to x(k) \quad \hbox{bzw.} \quad y(t) \to y(k) \quad
\hbox{mit} \quad t=k T , k \in I \! \! N \,.
\end{displaymath} (17)

Dabei ist hier $ T=0.5 \,s $.

8.4.2 Berechnung der Impulsantwort

Die Impulsantwort wird nun genau wie in Abschnitt 8.3.2 berechnet. In Abbildung 43 ist die so bestimmte Impulsantwort dargestellt. Abbildung 44 zeigt das zugehörige Spektrum.
Abbildung 42: Die gemessenen Eingangs- und Ausgangssignale. Das Eingangssignal ist eine sprunghafte Längung der Probe um $0.1\,mm$.
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Abbildung 43: Die Impulsantwort $g(t) $ berechnet durch die Faltngssumme
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Abbildung 44: Das Spektrum der Impulsantwort
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Thorsten Foerstemann (thorsten@foerstemann.name)