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Unterabschnitte

9 Systemidentifikation

In diesem Abschnitt wird sowohl das aktive und das passive Verhalten anhand der in Abschnitt 8 ermittelten Impulsantworten mit möglichst einfachen linearen Systemen identifiziert. Das aktive Verhalten wird im Folgenden durch ein $PT_2$-System beschrieben, das passive Verhalten mittels eines $PDT_1$-Systems.

9.1 Identifikation des aktiven Verhaltens


9.1.1 Das $PT_2$-System

Ein $PT_2$-System entsteht durch Reihenschaltung von zwei $PT_1$-Systemen (siehe Abbildung 45). Für ein $PT_1$-System gilt [11]:
\begin{displaymath}
T_1 \,\dot y(t)+y(t)=k_P\,x(t)
\,.
\end{displaymath} (18)

Dabei bezeichnet $ x(t) $ das Eingangssignal und $y(t)$ das Ausgangssignal. $T_1$ sind die Zeitkonstante der Verzögerung und $k_P$ die Verstärkungskonstante. Für das in Abbildung 45 dargestellte $PT_2$-System gilt also:
\begin{displaymath}
\begin{array}{ccc}
T_1\,\dot z(t)+z(t)=&k_{P1}\,x(t) & \mbox{und} \\
T_2\,\dot y(t)+y(t)=&k_{P2}\,z(t) \,.&
\end{array}\end{displaymath} (19)

Die Elimination von $z(t)$ führt auf:
\begin{displaymath}
T_1\,T_2\,\ddot y(t)+(T_1+T_2)\,\dot
y(t)+y(t)=k_{P1}\,k_{P2}\,x(t)\,.
\end{displaymath} (20)

Das Produkt der beiden Verstärkungskonstanten $k_{P1}\,k_{P2}$ wird im folgenden zum Parameter $k_{P12}$. Damit schreibt sich Gleichung 20 als:
\begin{displaymath}
T_1\,T_2\,\ddot y(t)+(T_1+T_2)\,\dot y(t)+y(t)=k_{P12}\,x(t)\,.
\end{displaymath} (21)

Abbildung 45: Ein $PT_2$-System als Reihenschaltung zweier $PT_1$-Systeme
Image PT2-sys
Für bestimmte Eingangssignale $ x(t) $ ist die Lösung $y(t)$ der Differentialgleichung 21 analytisch darstellbar. Die Impulsantwort $g(t) $ (siehe Abbildung 46) und die Sprungantwort $h(t)$ (siehe Abbildung 46) dieses Systems lauten [11]:
\begin{displaymath}
g(t)=k_{P12}\,[\,\frac{1}{T_1-T_2}\,(e^{-\frac{t}{T_1}}-e^{-\frac{t}{T_2}})]\,\sigma(t)
\end{displaymath} (22)


\begin{displaymath}
h(t)=k_{P12}\,[\,1-\frac{1}{T_1-T_2}\,(T_1\,e^{-\frac{t}{T_1}}-T_2\,e^{-\frac{t}{T_2}})]\,\sigma(t)\,.
\end{displaymath} (23)

Dabei ist $\sigma(t)$ die Sprungfunktion, für die gilt $\sigma(t>0)=1$, sonst $0$. Die Reaktion dieses Systems auf einen Rechteckimpuls ist durch Kombination zweier Sprungantworten in Abbildung 47 dargestellt.

9.1.2 Vergleich der Impulsantworten

Die Impulsantwort des aktiven Verhaltens wurde zum einen in Abschnitt 8.2.2 mit Hilfe der Fouriertransformation bestimmt und zum anderen in Abschnitt 8.3 über die Faltungssumme berechnet. Ein Vergleich der so bestimmten Impulsantworten in den Abbildungen 39 und 40 mit der Impulsantwort eines $PT_2$-Systems in Abbildung 46 zeigt, dass ähnliches Systemverhalten vorliegt. Dies äußert sich auch im zeitlichen Verlauf der Reaktion auf einen Rechteckimpuls des Muskels (Abbildung 37) und eines $PT_2$-Systems (Abbildung 47). Im folgenden wollen wir das aktive Verhalten mit einem $PT_2$-System beschreiben.
Abbildung 46: Impulsantwort $g(t) $ und Sprungantwort $h(t)$ eines $PT_2$-Systems
Image PT2-G+h1
Abbildung 47: Systemantwort $y(t)$ eines $PDT_1$-Systems auf einen Rechteckimpuls (graues Rechteck), zusammengesetzt aus zwei Sprungantworten $h_1(t)$ und $h_2(t)$.
Image PT2-H2

9.2 Identifikation des passiven Verhaltens

9.2.1 Das $PDT_1$-Systems

Ein $PDT_1$-System entsteht durch Zusammenschalten eines $P$-Systems, eines $D$-Systems und eines $PT_1$-Systems (siehe Abbildung 48). Für ein $D$-System gilt [11]:
\begin{displaymath}
y(t)=T_D\,\dot x(t)\,.
\end{displaymath} (24)

Hierbei ist $T_D$ die Differenziationsverstärkung. Für ein $P$-System gilt [11]:
\begin{displaymath}
y(t)=k_P\,x(t)\,.
\end{displaymath} (25)

Dabei ist $k_P$ die Verstärkungskonstante. Hier setzen wir $k_P=1$. Ein $PT_1-$System wurde schon in Abschnitt 9.1.1 vorgestellt. Eine Zusammenschaltung nach Abbildung 48 ergibt dabei folgende Differenzialgleichung:
\begin{displaymath}
T_1\,\dot y(t)+y(t)=k_{P1}\,[x(t)+T_D\,\dot x(t)]\,.
\end{displaymath} (26)

Abbildung 48: Das $PDT_1$-System als Reihenschaltung eines $PT_1$-systems und einer Parallelschaltung eines $P$- und eines $D$-Systems
Image PDT1-sys
Die Impulsantwort $g(t) $ und die Sprungantwort $h(t)$ (siehe Abbildung 49) dieses Systems lauten [11]:
\begin{displaymath}
g(t)=\frac{k_{P1}}{T_1}\,[(1-\frac{T_D}{T_1})\,e^{-\frac{t}{T_1}}\,\sigma(t)+T_D\,\delta(t)]
\end{displaymath} (27)


\begin{displaymath}
h(t)=k_{P1}\,[1+(\frac{T_D}{T_1}-1)\,e^{-\frac{t}{T_1}}]\,\sigma(t)\,.
\end{displaymath} (28)

Dabei sind $\sigma(t)$ die Sprungfunktion, für die gilt $\sigma(t>0)=1$, sonst $0$, und $\delta(t)$ der Dirac-Impuls.
Abbildung 49: Impulsantwort $g(t) $ und Sprungantwort $h(t)$ eines $PDT_1$-Systems
Image PdT1-g+h

9.2.2 Vergleich der Impulsantworten

Die Impulsantwort des passiven Verhaltens wurde in Abschnitt 8.4 über die Faltungssumme berechnet. Ein Vergleich der so bestimmten Impulsantwort in Abbildung 43 mit der Impulsantwort eines $PDT_1$-Systems in Abbildung 49 zeigt, dass ähnliches Systemverhalten vorliegt. Dies äußert sich auch im zeitlichen Verlauf der Reaktion auf eine Sprungantwort des Muskels (Abbildung 42) und eines $PDT_1$-Systems (Abbildung 49). Im folgenden wollen wir das passive Verhalten mit einem $PDT_1$-System beschreiben.
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Thorsten Foerstemann (thorsten@foerstemann.name)