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Unterabschnitte

2 Grundlagen der Muskelphysiologie

Zunächst sollen einige wichtige Eigenschaften glatter Muskulatur dargestellt werden, die für das Gesamtverständnis der Arbeit erforderlich sind (z.B. [5] und [6]).

2.1 Allgemeine Eigenschaften der Muskulatur

Die Muskulatur ist zur Verkürzung bzw. Krafterzeugung befähigt. Damit werden lebensnotwendige Funktionen erfüllt, die von speziellen Muskelarten geleistet werden: Durch die Muskelaktivität, die zu einer Verkürzung und/oder zur Kraftentwicklung führt, können

Der Grundprozess ist in jedem Muskel eine Wechselwirkung zwischen zwei fadenförmigen Eiweißkörpern, die als Myofilamente oder Myosinfilamente bezeichnet werden. Man unterscheidet hierbei das dickere Myosinfilament und das dünnere Aktinfilament.

Bei einer Muskelverkürzung verschieben sich beide Typen der Myofilamente gegeneinander. Diese Relativbewegung bewirkt wie bei einem Teleskop eine Längenabnahme des Muskels, ohne daß sich die Grundstruktur der Myosinfilamente verkürzt. Das Aneinandervorbeigleiten der Filamente (sliding filaments, Gleitfilamenttheorie) entsteht durch Bindung von Querbrücken, die die Filamente schrittweise ineinanderziehen. Dabei wird chemische Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP) in mechanische Arbeit umgewandelt.

Kann eine Verkürzung z.B. bei fixierter Muskellänge nicht stattfinden, erzeugt die Bewegung der Querbrücken Kraft. Kraftentwicklung und Muskelverkürzung kommen somit durch den gleichen Grundprozess im kontraktilen Apparat zustande.

Calciumionen in der Umgebung der Myosinfilamente steuern die Muskeltätigkeit. Eine Kontraktion findet statt, wenn in der Muskelzelle die Calciumkonzentration ansteigt; sinkt das Calcium ab, erschlafft der Muskel. Dabei wird die Ionenkonzentration der Zelle über Ionenkanäle und Ionenpumpen in der Zellmembran reguliert.

2.1.1 Multi-unit und Single-unit Typen

Die Skelettmuskulatur wird über die motorische Endplatte innerviert und zu Muskelaktionen veranlasst. Dabei wird jede Muskelfaser durch genau eine motorische Endplatte aktiviert. Eine Erregung der Muskelfasern untereinander findet nicht statt. Muskulatur, die auf diese Art und Weise innerviert wird, nennt man ''Multi-unit Typ''.

Bei Muskulatur vom ''Single-unit Typ'' breitet sich die Erregung des gesamten Muskels über ''gap junctions'' aus. Nerven sind bei dieser Form der Erregungsausbreitung nicht beteiligt.

Bei der glatten Muskulatur kommen Single-unit und Multi-unit Typen gleichermaßen vor [7].

2.2 Anatomische Besonderheiten der glatten Muskulatur

Abbildung 2: Kontraktile Proteine im glatten Muskel, aus [5]
Image musk1
In den Muskelfasern von Skelett- und Herzmuskulatur sind die Aktin- und Myosin-filamente streng geordnet, wodurch der Eindruck einer Querstreifung entsteht (A- und Z-Band). Im glatten Muskel ist ein derartig hohes Ordnungsprinzip in der Anordnung der kontraktilen Proteine nicht vorhanden. Der glatte Muskel weist daher keine Querstreifung auf. Er enthält mehr Aktin als der Skelettmuskel, und das Verhältnis Aktin zu Myosin beträgt etwa 12:1 bis 18:1. Vernetzungspunkte im Gerüst der Aktinfilamente bilden in der glatten Muskulatur sog. ''dense bodies''. Unter Bildung von ''dense patches'' bzw. ''dense bands'' koppelndie Aktinfilamente am Sarkolemm an (siehe Abbildung 2). Dies ruft während der Kontraktion Einziehungen der Zellmembran hervor. Glatte Muskelfasern können $30-200 \, \mu m$ Länge erreichen [8].

2.3 Steuerung der Kraftentwicklung

Abbildung 3: Verformungseinfluss auf die Kraftentwicklung in den drei Muskelarten. Normierung der Koordinaten: $l_0$ ist die Muskellänge bei maximaler Kraftentwicklung $F_M$, aus [5].
Image musk2
Abbildung 4: Geschwindigkeiten der Muskelverkürzung und -verlängerung, wenn die Last kleiner oder größer als $F_M$ (vgl. Abbildung 3) ist, aus [5] und [9]
Image musk3
Dehnung des Muskels verschiebt die Stellung der Myosinfilamente zueinander und ändert dadurch den Bereich der Aktin-/Myosinüberlappung. Wechselwirkungen können nur dort stattfinden, wo sich Aktin und Myosin gegenüberliegen. Da die Breite der überlappungszone die Zahl der verfügbaren Querbrücken verändert, gibt es einen optimalen Dehnungsbereich mit einer maximalen Anzahl von verfügbaren Aktin-/Myosinverbindungsstellen und damit auch maximaler Kraftentwicklung (siehe Abbildung 3).

Die Kraftamplitude wird außerdem noch über die Höhe der Calciumkonzentration innerhalb der Zelle gesteuert, wobei bei einigen Muskelfasern zusätzlich die Calciumempfindlichkeit der Myosinfilamente dehnungsabhängig ist. Beim glatten Muskel wird der transmembranöse Calciumeinstrom durch die Ionenkanäle über Aktionspotentiale, durch graduelle Membrandepolarisationen oder über Neurotransmitter bzw. Gewebehormone reguliert.

Die Kontraktionsgeschwindigkeit eines Muskels hängt davon ab, wie schnell die intrazelluläre Calciumkonzentration ansteigt. Außerdem spielen die Reaktionsgeschwindigkeit des kontraktilen Apparats und die Ankoppelung der Myosinfilamente nach außen eine Rolle. Abbildung 4 zeigt die lastabhängige Kontraktionsgeschwindigkeit.

Der Kurvenschnittpunkt mit der Ordinate entspricht der Maximalkraft, die ein Muskel ohne Dehnung erzeugen kann. Sie ist ein Maß für die Zahl der am Kontraktionsprozess maximal beteiligter Querbrücken zwischen den beiden Myosinfilamenten. ändert sich nur die Anzahl der tätigen Querbrücken, so verschiebt sich der Schnittpunkt auf der Ordinate nach oben oder unten (gestrichelte Linien) ohne Verlagerung des Kurvenschnittpunktes auf der Abszisse, d.h. die Kontraktionsgeschwindigkeit ändert sich kaum.

Der Kurvenschnittpunkt mit der Abszisse ist ein Maß für die Geschwindigkeit der Querbrückenbewegung, also für die Geschwindigkeit des elementaren Kontraktionsprozesses. Der Wert muß meist durch Extrapolation bestimmt werden, da eine Geschwindigkeit $v_{max}$ bei ''lastfreier Verkürzung'' praktisch nicht messbar ist. Man stellt sich vor, daß sich mit dieser fiktiven lastfreien Geschwindigkeit $v_{max}$ die Myosinfilamente ohne äußere (Gewicht) oder innere (Reibung) Last gegeneinander bewegen. $v_{max}$ wird auch als Kontraktilitätsparameter bezeichnet.

Der Begriff ''Kontraktilität'' geht damit über die einfache Beschreibung einer Zunahme der Kraftentwicklung hinaus und bezieht den Parameter Zeit in die Betrachtung ein. Kontraktilitätsänderungen beschreiben einen geänderten Ablauf der Aktin-/Myosinwechselwirkung. Die Zuckungskurve eines Muskels verläuft anders als bei einer alleinigen Rekrutierung von Querbrücken.

2.4 Mechanische Aspekte der Muskelkontraktion

2.4.1 Das Mechanogramm

Die Aufzeichnung einer Muskelkontraktion nennt man ''Mechanogramm''. Man unterscheidet hier Latenzzeit, Kontraktionszeit und Erschlaffungszeit. Grob gesprochen, ist der Skelettmuskel am schnellsten, der glatte Muskel am langsamsten.

In der Latenzzeit finden die komplizierten Aktivierungsmechanismen statt (Calciumfreisetzung, Diffusion und Wirkung an den Myosinfilamenten). Die Dauer der Latenzzeit hängt daher auch vom anatomischen Bau der Muskelfaser ab. Die Skelettmuskulatur hat eine kurze Latenzzeit von nur etwa 1 ms. Beim glatten Muskel treten große Unterschiede zwischen $0.5$ und $2 \, s$ auf.

In der Kontraktionszeit verkürzt sich der Muskel, bzw. er erzeugt Kraft. Diese Zeit hängt von vielen äußeren Einflüssen ab, wie z.B. Muskelart, Aktivierungsart, Muskeldehnung und Geschwindigkeit des elementaren Kontraktionsprozesses. Der Skelettmuskel kontrahiert besonders rasch ($>10 \, ms$). Beim glatten Muskel dauert die Kontraktionszeit mehrere Sekunden.

Die Erschlaffungszeit wird insbesondere von der Belastung des Muskels und von der Geschwindigkeit bestimmt, mit welcher die intrazelluläre Calciumkonzentration gesenkt werden kann. Eine Muskelermüdung verlängert die Erschlaffungszeit. Erschlaffungszeit und Kontraktionszeit eines Muskels sind etwa gleich.


2.4.2 Das Kennfeld

Abbildung 5: Muskel-Kennfeld. Oben: Ruhedehnungskurve und Kurve der isometrischen Maxima, Unten: Ruhedehnungskurve und Kurve der isotonischen Maxima, aus [5]
Image musk4+5
Die in einem Muskel möglichen Kontraktionszustände lassen sich in einem Kennfeld anschaulich zusammenfassen. Kontraktionen, die ohne änderung der Kraft eine ausschließliche Verkürzung bewirken, nennt man ''isotone Kontraktionen''. Kontraktionen, die ohne jede Möglichkeit zu einer Verkürzung ausschließlich die Kraft erhöhen, nennt man ''isometrische Kontraktionen''. Daneben gibt es Mischformen.

Eine Kontraktion bewirkt eine Verkürzung und/oder eine Kraftentwicklung des Muskels. Trägt man Muskellänge (Abszisse) und Kraft (Ordinate) in einem Diagramm gegeneinander auf, so ergibt sich das Kraft-Längen-Diagramm.

Am nicht erregten Muskel werden mit zunehmender passiver Dehnung die aus dem gleichen Kraftzuwachs resultierenden Längenänderungen geringer. Die Dehnbarkeit des Muskels nimmt ab. Die Kurve, die die Beziehung zwischen der dehnenden Kraft und der Muskellänge beschreibt, nennt man Ruhedehnungskurve (siehe Abbildung 5). Diese Kurve stellt keine Gerade dar. Das Kraft-Längenänderungsverhalten ist überproportional.

Grund hierfür ist, daß im Gewebe elastische Fasern und Zellen zu Netzwerken verbunden sind. Die viskoelastischen Eigenschaften dieser Strukturen ergeben sich dann nicht nur aus der Elastizität der Fasern selbst, sondern zusätzlich aus der Konstruktion des Geflechts und der Viskosität des dazwischenliegenden Materials. Ein solches Netzwerk leistet einer Längung solange geringen Widerstand, wie das Netzwerk selber noch verformbar ist (kleiner inkrementieller Elastizitätsmodul). Sind die Filamente des Netzwerkes maximal ausgerichtet, dann erfordert eine weitere Längung des Gewebes die unmittelbare Längung der Filamente selbst und damit einen stark vergrößerten Kraftaufwand (großer inkrementieller Elastizitätsmodul) [10].

Isometrische und isotonische Kontraktionen sind schematisch in den Abbildungen 5 in Kraft-Längen-Diagrammen dargestellt. Trägt man, von der Ruhedehnungskurve ausgehend, die Endwerte für die jeweils maximal entwickelte Kraft (senkrecht nach oben = isometrische Kontraktion) bzw. für die Muskellänge bei jeweils maximaler Verkürzung (waagerecht nach links = isotone Kontraktion) auf, so ergibt die Verbindung dieser Endpunkte die Kurven der isometrischen bzw. isotonen Maxima.

Die isometrische Kontraktionskraft entspricht dem Abstand zwischen Ruhedehnungskurve und Kurve der isometrischen Maxima. Mit zunehmender Längung steigt diese Kraft zunächst bis auf ein Maximum an und nimmt bei weiterer Längung ab. Die so entstehende Maximakurve entspricht derjenigen in Abbildung 3.


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Thorsten Foerstemann (thorsten@foerstemann.name)