In Abschnitt 10.4 wurde festgestellt, dass die Zeitkonstanten etwa gleich sind, die für das Abklingverhalten verantwortlich sind. Deshalb wird das rechte Verzögerungsglied in Abbildung 45 auf den gleichen Prozess zurückgeführt wie das Verzögerungsglied in Abbildung 48. Wird unter Berücksichtigung dieser Erkenntnis das -System aus Abbildung 45 und das -System aus Abbildung 48 kombiniert, so erhält man das gemischte Modell in Abbildung 57, mit dem wir sowohl das aktive als auch das passive Verhalten modellieren können. Dabei ist zu beachten, dass nun auch beim aktiven Verhalten differentielle Anteile mitwirken können. Die zu bestimmenden Parameter dieses Modells lauten im aktiven Fall als Verstärkungsfaktor für das proportionale Glied P und als Zeitkonstante des differenziellen Gliedes D. Im passiven Fall lauten die Parameter analog und .
Für das passive Verhalten ist es nicht notwendig, eine neue
Parameterbestimmung durchzuführen. Die Parameter
und können direkt aus den schon ermittelten den
Parameterschätzwerten
und
in
Tabelle 7 bestimmt werden. Es gilt dabei:
Führt man nun eine Parameterbestimmung des aktiven Verhaltens für
die Parameter und wie in Abschnitt
10 für das in Abbildung 57
dargestellte Modell durch, entsteht analog zu Gleichung
33 hier:
Die Parameterschätzwerte ergeben sich damit für die Proben 6-C und
7-C zu:
Parameter | Mittelwert | Fehlerintervall |
[ |
|
Der Verstärkungsfaktor im linken -Glied, der im gemischten Modell zuvor auf eins gesetzt wurde, ist hier nicht bekannt. Ein Aufteilungsglied wird eingeführt, das über die Gewichtung der differentiellen und proportionalen Anteile entscheidet. Der Aufteilungsparameter wird für aktives () und passives () Verhalten unterschiedlich angenommen. Die neu eingeführten Verstärkungsfaktoren für das proportionale Glied und für das differenzielle Glied werden jedoch für aktives und passives Verhalten als gleich angenommen. Die Eigenschaften der Gewebeanteile, die Kräfte übertragen, seien also sowohl für passives als auch für aktives Verhalten konstant. Jedoch sollen die Anteile an der Kraftübertragung im passiven und aktiven Fall für die Gewebeanteile mit jeweils differenziellen und proportionalen Verhalten unterschiedlich sein. Damit können wir im einzelnen schreiben:
|
|
Dies bedeutet, dass bei einer Kontraktion fast nur proportionale Anteile Kräfte übertragen. Hingegen bei einer passiven Längung des Gewebes fast nur differentielle Anteile beteiligt sind. Zur Verdeutlichung: proportionale Anteile sind hier Gewebeanteile, die wie eine elastische Feder wirken (), differenzielle Anteile sind hingegen Gewebeanteile, die wie ein viskoser Dämpfer wirken ().
Denn würden Kräfte bei Kontraktion hauptsächlich über differenzielle Anteile übertragen, so würde der Muskel einen Großteil der geleisteten Arbeit ineffektiverweise in Verformungen stecken und nicht in die erforderliche Kraftschlüssigkeit.
Bei der passiven Längung des Muskels würde hingegen ein zu hoher proportionaler Anteil bedeuten, dass z.B. ein stetiges Füllen des Corpus cavernosum (glatte Muskulatur) mit Blut nur mit einer starken Blutdruckzunahme einhergeht. Erst in Gegenwart von differenziellen Verhalten ist eine Volumenzunahme des Schwellkörpers und damit eine Längung seiner Muskulatur ohne großen Blutdruckanstieg möglich (siehe Abbildung 61). Für das Einstellen einer Erektion nach dem Füllen der Schwellkörper mit Blut sind andere Mechanismen verantwortlich.
Zusammenfassend kann also geschlossen werden, dass der erschlaffte Muskel auf langsame Längung sehr nachgiebig reagiert. Bei einer Aktivierung jedoch steigt die Steifigkeit des Muskels stark an. Im passiven Fall beträgt etwa 5% und im aktiven Fall ist ca. 90%. Die Steifigkeit nimmt also etwa auf das zwanzigfache zu. Bei einer Aktivierung entwickelt die glatte Muskulatur des Corpus cavernosum also nicht nur eine Kraft und/oder Längenabnahme, sondern auch die mechanischen Eigenschaften ändern sich grundlegend.
Der große Fehler des Parameters in Gleichung 44 ist möglicherweise auf eine zu erwartende Längenabhängigkeit von zurückzuführen. Die Aufteilungverhältnisse für proportionales und differenzielles Verhalten sind sicherlich längenabhängig. Für eine erste Abschätzung wurde in dieser Arbeit über alle Längen gemittelt.