In Abschnitt 6.4.3 dargestellten Messungen wurden an
verschiedenen Proben durchgeführt. Die Proben haben verschiedene
Abmessungen, worauf auch schon in Abschnitt 5.2
hingewiesen wurde. Ein direkter Vergleich der in Abbildungen
20 und 21 dargestellten Messwerte für
verschiedene Proben macht also keinen Sinn.
In Abbildung 28 sind nun im Gegensatz zu Abbildung
21 relative Größen mit Hilfe der
Normierungskonstanten und eingeführt. Dabei sind
die Ausgangslänge der Probe und die sich einstellende Kraft
bei Längung des Gewebes auf zweifache Ausgangslänge. Tabelle
2 gibt Aufschluss über die in den Abbildungen
28 und 29 verwendeten
Normierungskonstanten.
Abbildung:
Normierte Ruhespannungen für verschiedene
Proben, Normierungskonstanten bzw. siehe Tabelle
2
Abbildung:
Normierte, isometrische Kraft-Längenkurven
für verschiedene Proben, Normierungskonstanten
bzw. siehe Tabelle 2
In Abbildung 28 ist deutlich zu erkennen, da§ das
Kraft-Längenänderungs-Verhalten überproportional ist. Dieses
Verhalten wurde schon in Abschnitt 2.4.2 als typisch für
sowohl glatte als auch gestreifte Muskulatur vorgestellt. Man kann
also Abbildung 28 mit den Ruhedehnungskurven aus
Abbildung 5 vergleichen. Die hier untersuchten
Gewebeproben haben also das für gestreifte und glatte Muskulatur
typische Ruhedehnungsverhalten.
Die Normierung in Abbildung 28 liefert brauchbare
Ergebnisse, da die normierten Ruhedehnungskurven für die
verschiedenen Proben recht ähnlich sind. Diese Normierung wird
weiter verwendet, um überhaupt Untersuchungen der Messwerte von
verschiedenen Proben durchführen zu können.
Die maximalen Kräfte nach elektrischer Stimulation aus Abbildung
29 zeigen leider auch nach Normierung kein einheitliches
Verhalten. Die ähnlichkeit mit dem typischen Verhalten aus
Abbildung 3 ist nur schwach zu erkennen.
Für das nicht einheitliche Verhalten der Proben kann es mehrere
Gründe geben: 1. Die elektrische Stimulation kann während
einer Messreihe trotz aller Vorsichtsma§nahmen variieren, z.B.
durch schleichendes Verdrecken der Stimulations-Elektroden im
Laufe der Messung. 2. Die Gewebeproben werden an verschiedenen
Stellen eines oder auch verschiedener Schwellkörper entnommen.
3. Die Eigenschaften einer Probe ändern sich während einer
Messung, z.B. langsames Absterben der Probe.
Tabelle 2:
Normierungskonstanten , und
Probe
Farbe
3-C
gelb
4.1
11.0
6.3
6-C
blau
3.0
5.0
8.5
7-C
schwarz
4.8
2.6
2.35
8-F
rot
4.1
2.25
1.83
9-F
grün
5.6
3.0
8.0
7.2 Normierung der Zeit durch Bestimmung von Zeitkonstanten
In diesem Abschnitt soll die zeitliche Relaxation des Muskels nach
sprunghafter Längung untersucht werden. Es zeigt sich, daß
zwei Zeitkonstanten zum Beschreiben des Zeitverlaufes notwendig
sind. Die Parameter werden mit dem Levenberg-Marquardt Verfahren
geschätzt [15], [16]. Die für das
Iterationsverfahren notwendigen Startparameter werden zunächst
durch zweifache lineare Regression ermittelt.
7.2.1 Bestimmung der Zeitkonstanten durch lineare Regression
Abbildung 30:
Sprunghafte Längung um mit
anschließender Relaxation (Probe 13-G). Normierungskonstante
für die Kraft : Kraft bei Längung der Probe auf zweifache
Ausgangslänge (hier: )
Abbildung 31:
Oben: Logarithmische Darstellung der Daten aus Abbildung
30 mit gefitteter Exponentialfunktion
für . Unten:
Logarithmische Darstellung der Differenz zwischen gefitteter
Exponentialfunktion und gemessenen Daten mit gefitteter
Exponentialfunktion
für . Normierungskonstante für die Kraft : Kraft
bei Längung der Probe auf zweifache Ausgangslänge (hier:
)
Tabelle:
Ermittelte Schätzwerte der Parameter für Abbildung
30 (Probe 13-G)
Parameter
Schätzwert
Abbildung 30 zeigt beispielhaft den gemessenen
zeitlichen Verlauf
der normierten Relaxation des
Muskels nach sprunghafter Längung um für Probe 13-G
( ist wieder die Kraft bei Längung auf zweifache
Ausgangslänge). Die Gleichgewichtsspannung des Muskels
ergibt sich
durch Extrapolation zu . beträgt für diese
Probe . Für die zwei weiteren Proben ergibt sich zu
(14-G) und (15-G). Zieht man diese
Gleichgewichtsspannung von den gemessenen Werten ab und trägt man
das Kräfteverhältnis logarithmisch über der Zeit auf, so kommt man
zu Abbildung 31 oben.
Es ist deutlich zu erkennen, daß die gemessenen Werte sich
nicht zu einer Gerade verbinden lassen. Daher sind zum Beschreiben
des Zeitverlaufs mindestens zwei Zeitkonstanten notwendig. Für
liegt jedoch ein einfach exponentieller Verlauf vor,
dessen Zeitkonstante durch eine lineare Regression der gemessenen
Werte in halblogarithmischer Darstellung ermittelt werden kann.
Eine Regression ergibt
.
Bildet man nun die Differenz aus gemessenen Daten und aus der
durch Regression ermittelten Exponentialfunktion und trägt man
diese in halblogarithmischer Darstellung auf, so gelangt man zu
Abbildung 31 unten. Die Differenzen sind nur für
signifikant von Null verschieden. Die gewonnen Werte
lassen sich recht gut zu einer Geraden verbinden. Eine lineare
Regression liefert folgende Werte
.
Insgesamt lässt sich das zeitliche Verhalten durch folgenden
Ausdruck beschreiben:
(3)
wobei die einzelnen Parameter in Tabelle 3 angegeben
sind.
Zusammenfassend haben wir die Anzahl der am Zeitverlauf
beteiligten Zeitkonstanten sowie brauchbare Schätzungen ihrer
Werte erhalten, die wir als Startwerte für eine iterative
nichtlineare Regression verwenden können.
7.2.2 Die nichtlineare Regression
Abbildung 32:
Oben: Nichtlineare Regression (schwarze Linie) der
gemessenen Daten (schwarze Punkte) aus Abbildung
30. Unten: Absoluter Fehler der Regression.
Abbildung 33:
Ermittelte Schätzwerte für Zeitkonstanten mit
asymptotischen Konfidenzintervallen sowie eine lineare Regression.
Der in Abbildung 32 gewählte Impuls ist
gekennzeichnet.
Abbildung 34:
Ermittelte Schätzwerte für Parameter und mit
asymptotischen Konfidenzintervallen sowie eine lineare Regression.
Der in Abbildung 32 gewählte Impuls ist
gekennzeichnet.
Abbildung 35:
Ermittelte Schätzwerte für Parameter und mit
asymptotischen Konfidenzintervallen sowie Mittelwerte mit
Standardabweichungen (Ellipsen)
Tabelle:
Ermittelte Schätzwerte nach Gleichung 3 für
Abbildung 32.
Parameter
Schätzwert
Konfidenzintervall
Abbildung 32 oben zeigt die gemessenen Daten
(schwarze Punkte) aus Abbildung 30 mit einer
nichtlinearen Regression nach Gleichung 3 (schwarze
Linie). Im unteren Teil der Abbildung ist der absolute Fehler der
Regression angegeben. Die Regression wurde mit dem
Levenberg-Marquardt Verfahren durchgeführt [15],
[16]. In Tabelle 4 sind nicht nur die
geschätzten Parameter angegeben, sondern auch die asymptotischen
Konfidenzintervalle.
Diese Parameterschätzung wurde an drei verschiedenen Proben (13-G,
14-G, 15-G) mit jeweils etwa 100 Signalen durchgeführt.
Abbildungen 33 und 34 zeigen die
ermittelten Schätzwerte.
Die ermittelten Parameterschätzwerte für hängen stark von
der Länge des Muskels ab und entsprechen der in Abschnitt
6.1 eingeführten Größe . Diese ist in der
Abbildung 17 dargestellt. Die Regressionsgraden lauten
Durch diese Zusammenhänge können zwei Parameter eliminiert werden.
Gleichung 3 geht damit in folgende Beziehung über:
(4)
Nun sind nur noch die Parameter , und zu
bestimmen, was auch numerisch wesentlich einfacher ist. Die
ermittelten Parameter sind in Abbildung 35
dargestellt. Die sich daraus ergebenden Mittelwerte enthält die
Tabelle 5.
Tabelle 5:
Mittelwerte und Standardabweichungen
der ermittelten Schätzwerte für Gleichung 4 aus
Abbildung 35
Die gemessenen Ausgleichsprozesse nach sprunghafter Längung lassen
sich recht gut mit Gleichung 4 und den in Tabelle
5 ermittelten Parametern beschreiben. Die ermittelte
Zeitkonstante ist für sprunghafte Längung und Verkürzung
etwa gleich.
Hinter der Zeitkonstanten verbergen sich die beiden
Zeitkonstanten und . Das Verhältnis dieser
beiden Zeitkonstanten beträgt etwa 1:15.